Herausgeberinnen

Linda Troeller

Linda Troeller

Homepage: lindatroeller.com

 

Was hat die beiden Herausgeberinnen zu dem Projekt inspiriert? Wie haben sich die beiden Frauen gefunden und beschlossen zusammenzuarbeiten?

Marion und ich haben uns kennengelernt, als ich für mein „Healing Waters“ Buch im Terme di Saturnia Spa in Italien fotografiert habe. Marion und ihr Mann haben nach einem Fotografen gesucht, der ihre neue Therapie im Bad Sulza Mineral Spa in Deutschland, Liquid Sound, fotografieren würde. Sie gaben eine Auswahl von meinen Fotos für die Wände des Spas in Auftrag und engagierten mich für den Fotoshoot.
Marion war bereits interessiert am Thema Orgasmus und hatte einige Freunde gebeten, ihr ihre Gedanken über den Orgasmus mitzuteilen. Zu dieser Zeit habe ich ein Buchprojekt mit dem Titel „Hot Old Women“ geplant, aber als mein jüngerer Freund mit mir Schluss gemacht hat, wollte ich es nicht weiter verfolgen. Schließlich haben Marion und ich die Idee einer erotischen Befragung von Frauen aller Altersgruppen ausgearbeitet, wobei Marion die Frauen interviewte und ich sie fotografierte. Dabei fanden wir heraus, dass Frauen noch mehr zu sagen haben und dass wir noch tiefer in das Thema der Sexualität eintauchen können, woraus sich das Orgasmus-Projekt entwickelt hat.

Was war der Prozess vor, während und nach dem Fotografieren?

Marion oder ich trafen oder kontaktierten die Personen, die interessiert daran waren, am Projekt teilzunehmen. Wir gaben ihnen Infos über die Fragen, die wir stellen würden. Meistens reisten wir zu ihnen nach Hause oder zu einem naheliegenden Hotel, wo sie sich sicher und beschützt fühlten, um zu sprechen und fotografiert zu werden. Nach der Sitzung zeigten wir ihnen die Fotos und löschten alle, von denen sie dachten, dass sie nicht ihre Gefühle ausdrücken.
Hat sich die Perspektive der Frauen über das, was sie über den weiblichen Orgasmus zu wissen glaubten, geändert?

Ich war überrascht von der Neugierde und Begierde der 20 – 30-jährigen Generation. Obwohl sie nach der Erfindung der Pille und nach der Frauenbewegung aufgewachsen sind, ziemlich liberale Partner hatten sowie den Zugang zu Pornografie und sexualisierte Werbung durch Social Media, wünschten sie sich mehr Bedeutung hinsichtlich ihrer sexuellen Freiheit. Sie glaubten, dass Scham immer noch eine zu große Rolle beim Orgasmus spielt und wollten, dass mehr darüber gesprochen wird. Sie sahen den Orgasmus als einen Weg an, der mehr Frieden und Gesundheit in die Welt bringen kann.
Bei meiner Recherche habe ich erfahren, dass es nicht viele visuelle Dokumentation von den frühsten Erfahrungen orgastischer Sensation von Frauen gibt, deshalb war es aufregend, diese Geschichten ans Licht zu bringen. Die meisten der Frauen hatten zuvor keine Gelegenheit gehabt, diese mit Freunden, Müttern, etc. zu teilen.
Linda Troeller ist eine preisgekrönte Fotografin mit Wohnsitz in New York City. Die Bilder ihres gefeierten Buchs über die vielen Jahre, in denen sie im legendären Chelsea Hotel gelebt hat, „Chelsea Hotel: An Artist’s Memoir“ wurden auf dem F/Stop Photography Festival in Leipzig, in der University of the Arts in Philadelphia und in der Melkweg Galerie sowie dem Coda Museum in den Niederlanden ausgestellt.

Ihr mit dem als Bild des Jahres preisgekröntes Buch „Healing Waters“ wurde von Aperture herausgegeben und „Spa Journeys“ von powerHouse Books. Sie hat zwei Bücher zusammen mit Marion Schneider herausgegeben: „The Erotic Lives of Women“ (Scalo 1998) und „Orgasm: Photographs and Interviews“ (Daylight 2014).
Troellers Fotos sind u.a. in den Sammlungen der University of Texas in Austin, dem Museum of Fine Arts in Houston und dem Smithsonian Museum vertreten. „Self-Potrayal“, ihre Sammlung von Selbstportraits, hat sie in der Ververs Galerie in Amsterdam ausgestellt und hat dafür 2009 einen IPA Award gewonnen. 2014 erschien eine Dokumentation über sie mit dem Namen „Inside the Frame: Linda Troeller“ vom kanadischen Produzent Jeff McKay.

 

Marion_Schneider

Marion Schneider

Homepage: marionschneider.com

 

Was hat dich dazu inspiriert, dieses Projekt zu beginnen?

Als Studentin habe ich erkannt, dass es selbst unter meinen intimsten Freundinnen ein Tabu war, über den Orgasmus zu sprechen. Ich hatte das Gefühl, dass ich damit ganz allein war, denn ich fand es auch schwierig, mit den Männern, mit denen etwas hatte, darüber zu reden. Alles, was mir blieb, waren Bücher, die ich nicht besonders inspirierend fand, weil sie sich nicht wirklich auf meine Gefühle und Fragen bezogen. Deshalb begann ich davon zu träumen, ein Buch zu schaffen, in dem Frauen nicht nur über den Orgasmus sprechen, sondern sich auch darin zeigen, in dem sie im Kontext ihrer Gefühle und Begierden fotografiert werden.
Wie habt ihr einander gefunden, um zusammenzuarbeiten?

Linda und ich haben beide beruflich mit Spas zu tun, sie indem sie Fotos darin macht, ich indem ich sie der Öffentlichkeit anbiete. Wir haben uns kennengelernt, weil ich nach einem Fotografen suchte, der die heilenden und inspirierenden Qualitäten der Erfahrung im Spa festhalten kann. Ich habe von Linda veröffentlichte Bilder gesehen und erkannt, dass sie die richtige Person für diesen Zweck sein könnte. Schon bei unserem allerersten Treffen habe ich mit ihr über meinen Traum eines Buchs über die weibliche Erotik gesprochen, auch wenn ich mich noch nicht getraut habe, den Orgasmus zu erwähnen. Wir kamen sehr schnell auf einen Nenner und begannen, an unserem ersten Buch „The Erotic Lives of Women“, das 1998 als Fotoband veröffentlicht wurde, zu arbeiten. 2005 begannen wir mit unserem neuen Projekt, Orgasmus. Ich glaube, dass wir das erste Projekt brauchten, um mutig genug zu sein, uns dem Thema Orgasmus zu stellen.

Was war der Prozess vor, während und nach dem Fotografieren?

Es gab einen großen Unterschied zwischen „The Erotic Lives of Women“ und „Orgasm“. Beim ersten Projekt haben wir die Frauen dazu ermutigt, den Ort und die Klamotten zu wählen. Wir gaben ihnen auch die Möglichkeit, sich zusammen mit ihrem Liebhaber fotografieren zu lassen, wenn sie wollten. Das Setting wurde vollkommen von den Frauen gestaltet. Linda und ich versuchten, sie in keiner Weise zu beeinflussen, um ihre echten erotischen Gefühle einzufangen.
Das Thema des Orgasmus ist allerdings mit viel Angst belastet. Deshalb sprachen wir nicht zu viel mit ihnen, bevor wir die Frauen trafen. Wir erwähnten kaum die Bekleidung und den Ort für das Interview. Wir akzeptierten alle ihre Vorschläge: Entweder besuchten wir die Frauen oder sie trafen uns bei uns oder in unserem Hotelzimmer. Wenn wir die Treffen vorbereiteten, kümmerten wir uns um das Thema der Kleidung nur, wenn sie es erwähnten oder danach fragten. Ansonsten ließen wir das Thema aus, um Angst bei unseren Interviewpartnerinnen hervorzurufen. Für uns war es wichtig, die Gefühle der Frauen einzufangen, weshalb es unerlässlich war, ein Vertrauensverhältnis während dem Interview mit ihnen aufzubauen. Sobald wir die Kamera aufgebaut hatten und einen sicheren Ort geschaffen hatten, war es einfach, in das Thema einzutauchen und den Frauen zu helfen, sich an ihre vergangenen Erfahrungen, ihre Gefühle und ihre Erwartungen zu erinnern. So war es auch bei unserem ersten Buch gewesen. Sobald die Frauen begannen, sich tiefergehend damit zu befassen, schoben sie ihre Ängste beiseite und waren inspiriert. Das hatte natürlich auch etwas mit unserer Herangehensweise und unserem Verhalten zu tun. Unser Ziel war es, die Frauen bis zu dem Punkt zu unterstützen, an dem sie offen sprechen können und ihre echten und wahren Gefühle zeigen können. Wir verzichteten darauf, sie in irgendeiner Weise zu beeinflussen, aber unterstützten ihre Entwicklung.

Hat sich die Perspektive der Frauen über das, was sie über den weiblichen Orgasmus zu wissen glaubten, geändert?

Ich glaube, dass die unerwarteste Erkenntnis diejenige über ihren ersten Orgasmus war – nicht nur für uns sondern auch für unsere Interviewpartnerinnen. Im Verlauf der Unterhaltung fanden wir oft heraus, dass der erste Orgasmus und die ersten erotischen Gefühle einen tiefgreifenden Einfluss auf die zukünftigen Leben der Frauen hatten. Ich denke auch, dass es sehr hilfreich für die Frauen war, über das Thema des Orgasmus nachzudenken, angefangen von ihrem ersten Gefühl bis hin zu ihren Fantasien und damit verbundenen politischen Erwartungen. Das zeigte den Frauen – und uns, die zuhören durften – die Verbindung zwischen ihrem Orgasmus und ihrem Alltagsleben auf.
Ich selbst wusste nichts über die ersten Gefühle eines Orgasmus bei vielen Frauen. Es freute mich sehr, dass bereits kleine Mädchen solch tiefgreifende Erfahrungen mit ihren Körpern haben. Ich bin auch beeindruckt von der Vielseitigkeit von Orgasmen. Frauen sind so unterschiedlich und empfinden so verschieden. Was mir besonders offensichtlich erschien, war wie ihre körperlichen Gefühle mit ihren Leben in Verbindung stehen. Ich bin auch beeindruckt, dass das Thema Orgasmus so politisch und so eng verbunden mit Freiheit und Frieden gesehen wird. Was für eine wundervolle Vision!

Marion Schneider ist Wissenschaftlerin, Ethnografin und Spa Unternehmerin und lebt in Thüringen. Sie ist zusammen mit der Fotografin Linda Troeller Co-Autorin von „The Erotic Lives of Women“ (Scalo 1998) und „Orgasm: Photographs and Interviews“ (Daylight 2014).

Schneiders Interesse an der Erkundung von weiblicher Sexualität kommt von ihrer Arbeit als Ethnografin und Historikerin. In den 80ern interviewte sie Balthasar Ehret, den Anführer der Widerstandsbewegung gegen die Erbauung eines Atomkraftwerks in Wyhl, welcher die grüne Bewegung in Deutschland auslöste. Ihre Interviews mit Ehret erschienen 2015 im Metropol Verlag in Berlin. Auch 2015 erschienen ihr Lyrik- und Prosaband sowie ihr Buch über die Thüringer Geschichte und Kultur beide beim Größenwahn Verlag in Frankfurt.
Marion Schneider ist Teilbesitzerin von Toskanaworld, eine bekannte Spa- und Hotelkette, die Leuten, die ihr volles Potential sowohl physisch als auch emotional erreichen möchten, präventive und rehabilitative Therapien anbietet.